Station 12: Grazertor
Gemeinsam mit dem Bereich des Augustinerklosters an der Südwestecke war die westliche Schmalseite die schwächste Stelle der mittelalterlichen Stadtbefestigung, da sie nicht durch natürliche Hindernisse geschützt war. Folgerichtig wurde in diesen Bereichen mit den Festungsbauarbeiten begonnen. Aus dem Jahr 1557 ist bekannt, dass die Brücke vor dem Grazer Tor, welches man zugleich auch als das „obere“ oder „steirische Tor“ bezeichnete, in Angriff genommen wurde. Im Gegensatz zum östlichen Ungartor ist es fraglich, ob das Grazer Tor ein kompletter Neubau war. Möglicherweise wurde das mittelalterliche Stadttor nicht ganz abgetragen, sondern teilweise in das neue Torhaus integriert. Dies ist aus dem Plan des Maurermeisters Andreas Lienhard aus dem Jahr 1858 ersichtlich, als ein großer Umbau im Zuge der Adaptierung zum Rathaus geplant wurde. Der Rest des gotischen Stadttores zeigt sich demnach als massiver Mauerblock südlich der Durchfahrt.
Grazertor 1565 vollendet
Nachdem Domenico dell‘Allio am 29. November 1563 auf einer Reise in Italien verstorben war, wurde am 26. Februar 1564 Francesco Thibaldi (Thebaldi) zu seinem Nachfolger ernannt. Dieser verfasste nach einer mit dem Fürstenfelder Festungsbaupolier Bartolomeo Viscardo durchgeführten kommissionellen Besichtigung der Befestigungen am 19. Juni 1565 einen Bericht über deren Zustand. Darin wird unter anderem festgestellt, dass das Grazer Tor im selben Jahr vollendet worden war.
Aufgrund des Umbauplanes von 1858 wissen wir auch, dass das Obergeschoß des neuzeitlichen Torhauses nur durch eine gedeckte Außenstiege erreichbar, das Haus also nach Süden hin um eine Fensterachse kürzer war als heute. Diese südliche Achse wurde erst 1860/62 dazugebaut und im Zuge dessen die Stiege in das Haus hineinverlegt. Dies würde jedoch bedeuten, dass das Torhaus asymmetrisch erbaut wurde, wofür es allerdings von den Gegebenheiten des Geländes her keinen Grund gab. Man nimmt daher an, dass es ursprünglich auch nach Norden hin um eine Achse kürzer war und die Verbreiterung mit dem Zeughausumbau von 1720 oder dem Theatereinbau im nördlichen Parterre in der Zeit nach 1776 zusammenhängt.
Ab 1776 Spitalswohngebäude
Das Grazer Tor war im Jahr 1775 zusammen mit den Wällen und Basteien in den Besitz der Stadt übergegangen, die das Gebäude ab 1776 durch den Baumeister Leopold Ainspinner renovieren ließ. Die Räumlichkeiten im Grazer Tor wurden danach vom Ärar angemietet und zu einem Spitalswohngebäude umfunktioniert. Nach der Aufkündigung des Pachtvertrags durch das Militär Ende der 30er-Jahre des 19. Jahrhunderts wurden die drei Wohnungen sowie der ebenerdige Brotladen durch Lizitation an den Meistbietenden auf jeweils 3 Jahre vermietet. Zwei der Wohnungen befanden sich im 1. Stock, besaßen eine Gemeinschaftsküche und bestanden einmal aus drei Zimmern in einer Reihe, einer Speisekammer sowie einer Holzlage unter der Stiege bzw. aus drei Zimmern, einem Vorsaal und Dachboden. Erstere wurde 1837 um 21 Gulden 30 Kreuzer jährlichen Pachtschilling an Anton Fichtel vermietet, während die andere für 24 Gulden und 20 Kreuzer an Leopold Fröhlich verpachtet wurde. Die ebenerdige Wohnung hingegen bestand nur aus einem Wohnzimmer, einer Kammer und einer Küche. Diese ging 1837 um 8 Gulden 35 Kreuzer Konventionsmünze jährlich an Franz Lipp. Neben diesen Wohnungen war im Erdgeschoß noch der Brotladen untergebracht, der aus einem Zimmer, einer kleinen Küche und einer Holzlage bestand. Die Vermietung der oberen Wohnungen blieb eine einmalige Angelegenheit, während die Erdgeschoßwohnung immer wieder auf drei Jahre versteigert wurde. 1840 ging sie für 12 Gulden 30 Kreuzern jährlich an Ignatz Leodolter, während sie dann ab 1843 in Händen von Anton Linkenhöller bzw. dessen Mutter Maria bis in die 50er-Jahre verblieb. Ab 1861 war dann im Parterre die Stadtsparkasse in zwei Räumen auf der Nordseite untergebracht, die später in den ersten Stock wechselte und bis 1923 im Grazer Tor verblieb.
Rathaus seit 1858 im Obergeschoss
Das Obergeschoß beherbergte ab 1858 das Rathaus. Den diesbezüglichen Umbau nahm Andreas Lienhard vor, der damals auch die Fassade neu gestaltete. Die von ihm auf jeder Seite gestalteten breiten Rustikapilaster mit darüber befindlichem Dreiecksgiebel sollten den wuchtigen Festungscharakter des Tores betonen. Die Gesamtwirkung wurde allerdings durch die Errichtung des südlichen Fußgängerdurchganges im Jahr 1908 gestört. Nach schweren Kriegsschäden im Jahr 1945 wurde das Gebäude in den folgenden Jahren (ohne Stadttheater) wieder aufgebaut, erhielt nun auch einen nördlichen Fußgängerdurchgang sowie eine Fassade, die dem Zustand vor 1859 wieder stärker entspricht.
Kellergewölbe Zuger Hilfsaktion gewidmet
Seit 2018 sind die im Keller befindlichen Garderobenräumlichkeiten des ehemaligen Stadttheaters dem Andenken an die Hilfsaktion der Schweizer Partnerstadt Zug nach dem Zweiten Weltkrieg gewidmet. Damals sandten die Zuger über 200 Tonnen an Hilfsgütern nach Fürstenfeld.